Die Bedeutung der Beschaffung für ein Unternehmen hat sich über die Jahre hinweg stark verändert. Früher wurde dem Einkauf eher eine operative Funktion zugeschrieben. Aufgaben des Einkaufs waren es Preisverhandlung zu führen, Bestellung durchzuführen, Lieferungen und Rechnungen zu prüfen sowie die Administration. Bei Vertragsverhandlungen mit Lieferanten spielte vorzüglich die Preisfrage eine Rolle, aber die eigentliche Bedeutung innerhalb der gesamten Wertschöpfungskette wurde verkannt.
Heute sind die Unternehmen bestrebt, ihre internen Leistungsketten zu optimieren. Der Begriff Supply Chain Management beschreibt die Verbesserung des Material- und Informationsflusses zwischen allen Teilnehmern innerhalb der Wertschöpfungskette eines Unternehmens. Erstes Kettenglied ist der Einkauf und somit der Werttreiber für das ganze Unternehmen. Somit ist das eigene Leistungsverhältnis eines Unternehmens direkt abhängig von der Einkaufsleistung. In Einkaufsabteilungen wird zwar häufig versucht, Einkaufsleistungen zu verbessern, jedoch häufig erst bei auftretenden Schwierigkeiten bezüglich Qualität, Konditionen oder Terminen. Das bedeutet, dass nur dann auch ein Wettbewerbsvorteil gegenüber Konkurrenten erreicht werden kann, wenn mit den besten Lieferanten zusammengearbeitet wird. Heutzutage wird es schwieriger und wichtiger geeignete Lieferanten auszuwählen, denn durch die Globalisierung der Märkte hat sich die Anzahl potentieller Zulieferer sehr stark vergrößert.
Die sieben Prozessstufen
Stufe 1: Lieferantenidentifikation
Die Lieferantenidentifikation ist der erste Schritt des Prozesses und beschäftigt sich mit der Frage:
Welche Lieferanten gibt es überhaupt? Ausgehend von einem konkreten Bedarf werden alle Hersteller identifiziert, die dem in der Beschaffungsstrategie festgelegten Anforderungsprofil des Unternehmens entsprechen und das benötigte Objekt auf dem Beschaffungsmarkt anbieten. Die Suche nach Unternehmen, die das gewünschte Produkt herstellen oder herstellen können, kann durch die Anlegung und Nutzung von Technologie- oder Lieferantendatenbanken unterstützt werden. Bei Spezialprodukten ist es sinnvoll, die Suche auf Anbieter von ähnlichen Produkten zu erweitern. Zusammen mit der Lieferanteneingrenzung bildet die Lieferantenidentifikation die Lieferantenvorauswahl.
Stufe 2: Lieferanteneingrenzung
Welche der identifizierten Anbieter kommen als Lieferanten für das Unternehmen in Frage, bzw. scheiden aus? Mit Lieferanteneingrenzung wird der Teilprozess bezeichnet, bei dem aus der Menge der potenziellen Zulieferunternehmen diejenigen ausgewählt werden, die den Preis- und Leistungsanforderungen des beschaffenden Unternehmens entsprechen. Da es dem beschaffenden Unternehmen in der Regel nicht möglich ist, alle potenziellen Anbieter auf dem Beschaffungsmarkt zu bewerten, ist eine Eingrenzung auf einige wenige notwendig. Zur Eingrenzung werden Informationen aus der Beschaffungsmarktforschung herangezogen. Bewährte Methoden der Lieferantenein- bzw. -ausgrenzung sind die Ermittlung von K.o.-Kriterien, Lieferantenfragebögen sowie Zertifikate und Auszeichnungen. Ausgrenzungskriterien können Ansprüche an die Qualität der Produkte sein, aber auch andere Faktoren wie Ansprüche an eine umweltgerechte Produktion, oder der Wunsch, dass der Lieferant aus derselben Region wie der Abnehmer kommen soll, können eine Rolle spielen.
Stufe 3: Lieferantenanalyse
Ziel der Lieferantenanalyse ist es, die am besten geeigneten Lieferanten für das beschaffende Unternehmen zu bestimmen. Sie beschäftigt sich mit der Frage: Wie sind die zur Entscheidung relevanten Merkmale bei den verbleibenden, in Frage kommenden Lieferanten ausgeprägt? Hierzu werden die Ergebnisse aus der Lieferantenvorauswahl zusammengetragen und strukturiert. Neben der Untersuchung der wirtschaftlichen, ökologischen und technischen Leistungsfähigkeit der Zulieferer anhand von Daten und Bilanzkennzahlen sollte hierbei auch die zukünftige Beziehung zwischen Lieferant und Abnehmer beleuchtet werden, um sich möglicherweise ergebende wechselseitige Abhängigkeiten und Konkurrenzbelieferungen frühzeitig zu erkennen und in die Bewertung mit einfließen lassen zu können. Entscheidungsrelevante Kriterien in der Lieferantenanalyse sind z. B. Preis, Lieferqualität, Lieferzeit, Lieferflexibilität und Servicegrad.
Stufe 4: Lieferantenbewertung
Unter Lieferantenbewertung versteht man die systematische, umfassende Beurteilung der Leistungsfähigkeit bereits ausgewählter Lieferanten. Steigende Qualitätsanforderungen sowie der Trend hin zur Lieferantenintegration machen eine fundierte Lieferantenbewertung heute unentbehrlich. Die Lieferantenbewertung gibt Antworten auf die Frage: Inwieweit werden die einzelnen Anforderungen von den in Frage kommenden Lieferanten erfüllt? Und: Bewertet die Leistungsfähigkeit der einzelnen Anbieter aufbauend auf den Ergebnissen der Lieferantenanalyse? Ziel der Lieferantenbewertung ist neben der Sicherstellung leistungsfähiger Lieferquellen die Steuerung der Lieferantenbeziehung, die Pflege und Entwicklung der Lieferantenbeziehung, die objektive und transparente Gestaltung des Entscheidungsprozesses sowie die Erhaltung und Stärkung der eigenen Wettbewerbsfähigkeit. Für die Bewertung der Leistungsfähigkeit eines Lieferanten müssen Verfahren herangezogen werden, die für jede Entscheidungssituation aussagekräftige Ergebnisse liefern können.
Auf die einzelnen Verfahren wird später noch detaillierter eingegangen werden. Wichtig ist, dass möglichst viele Bewertungskriterien verarbeitet und sowohl quantitativ messbare als auch qualitative Kriterien berücksichtigt werden. Es werden sieben Hauptbewertungskriterien unterschieden. Bewertet werden müssen vor allem strategisch wichtige Lieferanten und solche mit hohem Optimierungspotenzial. Im Idealfall sollte die Bewertung mindestens einmal jährlich erfolgen und die Ergebnisse gemeinsam mit dem Lieferanten besprochen werden.
Stufe 5: Lieferantenauswahl
Mit der Lieferantenauswahl wird der Entscheidungsprozess abgeschlossen. Im Rahmen einer strategischen Lieferantenauswahl werden Erfolgspotenziale für das Unternehmen ermittelt und das optimale Portfolio an Zuliefererfirmen zusammengestellt. Anschließend werden mittels der operativen Lieferantenauswahl an diesen Lieferantenkreis konkrete Aufträge über bestimmte Beschaffungsobjekte vergeben. Bei der Auswahl der Lieferanten sollten sowohl die Ergebnisse der Lieferantenbewertung als auch die in der Lieferantenanalyse beschriebene Beziehung zwischen Lieferant und Abnehmer in die Entscheidungsfindung einbezogen werden.
Stufe 6: Lieferantencontrolling
Mit Lieferantencontrolling wird die fortlaufende Überprüfung und Überwachung der Leistungserfüllung der Lieferanten bezeichnet. In regelmäßigen Abständen wird überprüft, ob die als positiv bewerteten Merkmalsausprägungen der ausgewählten Lieferanten auch laufend, d.h. während der Dauer der Lieferbeziehung, erfüllt werden. Im Voraus werden die zu erreichende Ziele hinsichtlich der oben genannten Bewertungskriterien festgelegt sowie die Prozesse und Kompetenzen definiert. Bei Nichterreichung der Zielvorgaben ist der Lieferant entweder dazu angehalten, seine Unternehmensprozesse zu optimieren oder der Abnehmer trennt sich von dem Lieferanten. In diesem Fall beginnt der Prozess des Lieferantenmanagements von vorn mit der Lieferantenidentifikation (Suche nach ,Ersatz‘) und andere Zulieferfirmen erhalten die Chance auf eine zukünftige Zusammenarbeit mit dem Unternehmen. Zum Aufgabenspektrum des Lieferantencontrollings gehört auch die Wareneingangsprüfung sowie die Sammlung und Bereitstellung von lieferantenspezifischen Informationen und damit die Schaffung einer Informationsbasis für künftige Auswahlentscheidungen. Da der Controllingaufwand sehr kostenintensiv ist, können nicht alle Lieferanten mit der gleichen Intensität überwacht werden. Eine Lösung bietet die Lieferantenstrukturanalyse, mit deren Hilfe sich die Zulieferer nach Wichtigkeit und damit Aufwand einteilen lassen.
Stufe 7: Die Steuerung der Lieferantenbeziehung
Wie kann man erreichen, dass sich die Lieferanten bemühen, in Zukunft den Anforderungen noch besser zu entsprechen? Ziel aller Aktivitäten im Lieferantenmanagement ist eine Steigerung der Leistung der Lieferbeziehungen bei gleichzeitiger Senkung der Beschaffungskosten. Die Lieferantenauswahl und das Lieferantencontrolling sind die beiden Hauptkomponenten zur Steuerung der Lieferantenbeziehung.
Um die Leistungsstruktur seines Lieferantenstammes fortwährend zu optimieren und den sich ändernden Bedingungen anzupassen, sollte das abnehmende Unternehmen bestrebt sein, die Leistungsfähigkeit seiner Zulieferer durch gezielte Steuerungsmaßnahmen zu beeinflussen. Damit diese Steuerungsmaßnahmen auch zum gewünschten Erfolg führen, ist es auf die Kooperation der Lieferanten und auf deren Akzeptanz hinsichtlich der Art und Weise der Leistungserfassung angewiesen.
Hierbei gelten drei Grundregeln:
- Die Kriterien und Verfahren der Lieferantenbewertung sollten allen Lieferanten bekannt sein (Transparenz)
- Jeder Lieferant sollte neben seinen eigenen auch die Ergebnisse der Zulieferkonkurrenz erhalten (ermöglicht den Zulieferern einen Leistungsvergleichs im Sinne eines Benchmarking).
- Das Anforderungsprofil, welches an den Zulieferer gestellt wird, sowie die Qualitätsrichtlinien.